Philharmonischer Chor Kiel e.V.

Kieler Nachrichten, 08.07.2025

Spektakuläre Absage in letzter Minute

Wunderino-Arena in Kiel: Philharmonisches Konzert konnte aufgrund einer Erkrankung nicht stattfinden

VON CHRISTIAN STREHK

KIEL. Der Hoffnung und Transzendenz als fünftem Element sollte das große Finale der philharmoni­schen Konzertsaison gewidmet sein. Doch am Morgen des Konzertsonntags musste General­musikdirektor Gabriel Feltz extrem kurzfristig „aus gesundheitlichen Gründen“ absagen. Die Tickets werden ab Dienstag über die Theaterkassen erstattet.

Der Dirigent hatte noch die Generalprobe am Sonnabend geleitet, von der sehr über die grandiose Interpretation von Anton Bruckners Fünfter Symphonie geschwärmt wurde. So kurzfristig und ohne jegliche Verständigungsprobe einen Ersatz zu bekommen, erwies sich als illusorisch.

Die am Morgen in die recht gut besuchete Wun­derino Arena herbeigeströmten Besucherinnen und Besucher konnten als andächtiges Trostpflaster lediglich den ungewöhnlich gewählten ersten Programm­punkt genießen: das elfminütige Renaissance-Tonwunder der 40-stim­migen a-cappella-Motette „Spem in alium“ von Thomas Tallis.

Der Philharmonische Chor Kiel und der Opernchor ließen unter der sicheren Leitung von Doris Vetter, Einspringerin aus Hamburg, und gestützt von Moritz Caffier am Orgelpositiv erahnen, welch überwäl­tigenden Eindruck das in acht fünfstimmigen Chören verschachtelte Werk im 16. Jahrhundert in London hinterlassen haben muss.

Man genießt in der über viele Monate geprobten Aufführung schön entrückte, magisch schwebende Momente. Und erfährt, wie heikel in Sachen Rein­heit der Akkordblöcke die extreme Auffächerung und auch die organisch gleichschwebende Abmischung von Profi- und Hobby­stimmen sein kann, gerade in ganz alten Musikstilen. Gabriel Feltz hatte nach seinem notwendigerweise operierten Armbruch beim Fußballspie­len mit seinen Jungs in Dortmund tapfer und überaus erfolgreich die „Götterdämmerung“ von Wagner als krönenden Abschluss des dortigen „Ring“-Zyklus dirigiert.

Aus Sicherheitssgründen hatte er jüngst in Kiel allerdings die geplante künstlerische Leitung des Sommeroper-Marathons „La Traviata“ auf dem Rathausplatz (ab 19. Juli) an seinen Stellvertreter Daniel Carlberg abgegeben. Sein erklärtes Herzensprojekt, die große B-Dur-Bruckner-Symphonie mit der Doppelfuge und brausender Zuversicht am Ende, wollte er jedoch unbedingt realisieren.

Warum auch das Phil-Extrakt-Kurzkonzert am Sonntagabend abgesagt ist, kam als Frage auf. Da wären dann doch viele Stunden mehr Zeit parat, einen Ersatzdirigenten zu finden. Und ungeprobte Unstimmig­keiten hätten in dem moderierten Format mit Werkstattcharakter sogar zu einem besonderen Erlebnis für das Publikum werden können. Außer­dem wäre der Tallis wie geplant ein zweites Mal erklungen.

Theatersprecher Sven Bohde sagte hierzu: „Konzept des Phil Extrakts, bei dem es besonders auf die Moderation mit Hintergrundwissen ankommt, steht und fällt mit Gabriel Feltz, da er derjenige ist, der sich viele Jahre mit den beiden Stücken auseinandergesetzt hat. Dafür ließ sich in der Kürze der Zeit kein Ersatz finden.“

Ob da auch die Haushaltssperre in der Landes­hauptstadt eine negative Rolle gespielt hat, weil man einen anreisenden, Bruckner-kundigen Dirigenten nicht hätte honorieren dürfen, wider­sprach Bohde.

Vielleicht wird GMD Feltz dieses oder ein ganz ähnliches Programm­konzept rund um den Kontra­punkt-Magier Bruckner ja in einer der übernächsten Spielzeiten nachholen.

Seine kommenden Großprojekte sind Puccinis Triptychon „Il Trittico“ am 4. Oktober und Wagners „Tannhäuser“ am 31. Januar in der Oper sowie Philharmonische Konzerte am 28. September (Schostakowitschs Anti-Kriegs-Symphonie „Leningrader“) und die Hommage am 2. November an die Hafenmetropole Buenos Aires.