Kieler Nachrichten, 24.05.2025
VON CHRISTIAN STREHK
KIEL. Mit musikalischen Raritäten ist das so eine Sache. Sie bedürfen als weitgehend unbekanntes Terrain besonderer Sorgfalt und Überzeugungskraft. Und genau das war im Mozart-Konzert der Musikfreunde Kiel am Donnerstag Abend in der gut besuchten Nikolaikirche der Fall. Johann Nepomuk Hummels B-Dur-Messe op. 77 bestand hier mit frühromantischer Wucht in der Tradition von Haydn und Beethoven, als obligatorischer Namenstagsjubel für die Fürstin am Hof Esterhazy, den Test. Denn der Philharmonische Chor Kiel ist chorsinfonisch gepolt, hat entsprechend kraftvolle Reserven.
Sein Leiter Gerald Krammer, Chordirektor am Theater Kiel, kann auf einen warm und voluminös leuchtenden Sopran zählen, die Bässe grundieren souverän, die Tenöre haben Strahl, neigen allenfalls mal dazu, etwas vorlaut loszupreschen; ein wenig spröde klang diesmal allenfalls der Alt. An der Emphase für das klingende Gotteslob ließ man keinen Zweifel. Sängerisch unangenehme Partien wie die expansive Amen-Fuge wurden gut gemeistert. Die Färbung der Vokale und die Textabsprachen gelangen vorbildlich einheitlich. Besonders schön war aber, wie Krammer mit den Sängerinnen und Sängern immer wieder zu den von Hummel selten gestreuten Kontrasten in einem nie dünnblütigen Piano fand. Auf diese Weise bewegte auch die nahezu auswendig gesungene und dadurch im wahrsten Sinne „ansprechende“ Zugabe den Hörer: Mozarts berühmtes „Ave verum corpus“.
Auch Krammers Interaktion mit den Kieler Philharmonikern wirkte organisch. Schon die frechen kleinen Überraschungseffekte, die der Teenager Mozart in seine frühe A-Dur-Sinfonie KV 114, zum Beispiel ins ganz und gar nicht konventionelle Menuett einbaute, amüsierten treffsicher unter der Leitung des Österreichers. Die Philharmonischen Solo-Klarinettisten Ishay Lantner und Igor Armani servierten mit dem Es-Dur-Doppelkonzert op. 91 von Franz Krommer, einst renommierter Ballettkapellmeister am Wiener Hoftheater, ein Schmankerl, das man allenfalls aus den Ausgrabungen durch Sabine Meyer kennen konnte. Das Gute-Laune-Stück mäandert lustig musikantisch von hier nach da, braucht aber auch zwei virtuose und bestens aufeinander eingespielte Holzbläser – wie hier den Israeli und den Italiener. Deren spürbarer Herzblut-Einsstz für das Kern- und Randrepertoire ihres Instruments prägt das Kieler Musikleben seit Jahren. Dazu passte auch die „Gurke“ als Zugabe: die vertrackt dudelnde Bearbeitung eines portugiesischen Gitarrenstücks.