Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 29.06.1921

Drittes Sonderkonzert des Oratorienvereins. Aus diesem Verein hat sich ein kleiner A-cappella-Chor gebildet, der es unter der Leitung seines Dirigenten Professor Stein zu guten Ergebnissen gebracht hat. Man begegnet einer Chorkultur, die das Gewohnte übertrifft, die sich zu fein abgestimmten chorischen Wirkungen erhebt. Die Stimm­gruppen dieses Chores zeigen sich gut gegeneinander abgewogen, so daß sie sich zu einem gerundeten Klangganzen fügen können. Tonbehandlung, Wortbehandlung werden sorglich beachtet unter dem Zeichen einer Gesamt-Chordisziplin. Das zeigte sich ungetrübt in dem Anfangsliede, dem aus der Liedersammlung „Augsburger Tafelkon­fekt“ (1738) stammenden Lobgesang „Von der edlen Musika“ des Valentin Rathgeber. Es mag symbolisch genommen werden, daß dieses Madrigal seinem Text und seiner feinen Weise nach dem Chore „Ratgeber“ sei zu fernerer Arbeit. Denn es wurde anmutig vorgetra­gen. Gute Werte offenbarte der Chor auch in seinen weiteren Vor­führungen, die Perlen deutscher A-cappella-Musik boten. Der Chor und sein Leiter ernteten wohlverdienten Beifall. Die heiteren Lieder weck­ten Behagen. Daß vorübergehend Intonationstrübungen eintraten, wird wohl der drückenden Luft zuzuschreiben sein, die sich in der dicht gefüllten Universitätsaula entwickelte. — In Umstellung des Programms kam zunächst eine Sonate in C-moll für zwei Klaviere zur Uraufführung, der später Lieder für Bariton und Klavierbegleitung folgten, alles Werke von Alexander von Dusch. Der Kompo­nist am Klavier bestens unterstützt von Frau Margarete Stein, war als Pianist und Sänger sein eigener Interpret und erntete Beifall. Er zeigt sich als schöpferischer Musiker von kontemplativer Art. Er weiß mit seinem thematischen Material geschickt umzugehen, so daß man interessiert der technischen Arbeit des Tonsatzes folgt. Aber gepackt, innerlich erfaßt wird man nicht in gleichem Maße. Zum Beispiel, die Sonate bringt es nicht zu mitreißenden Steigerungen und Gipfelwir­kungen. In den „Gesängen“ machte sich mehr Wärme der Erfindung geltend. S—g.

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