Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 15.09.1921

Fest-Konzert im Stadttheater.

Anton Bruckner: Neunte Symphonie.

Franz Liszt: Totentanz für KLavier und Orchester.

Max Reger: Der 100. Psalm.

Ein Konzert der Besten unter den „Modernen“. Warum nicht? Auch sie haben das gleiche Recht, gehört zu werden, zumal alle drei uns viel Eigenes und Neues zu sagen haben. Die drei Namen vertreten ebensoviele Kunstrichtungen, vor allem in der Wahl ihrer Ausdrucks­mittel. Und doch sind sie, ein jeder mit einem ihre Wesensart am besten kennzeichnenden Werk, zusammen auf eine Vortragsfolge gestellt worden. Sicher nicht ohne Absicht. Wo ist denn aber das allen dreien Gemeinsame? Was jene drei Meister bringen, ist aus einer mystischen, vielleicht besser gesagt religiösen Stimmung ihrer Schöpfer heraus entstanden. Gedanken an Gott, Tod und Ewigkeit waren es, welche die Seele dieser Meister erfüllten, als sie gerade diese drei Werke niederschrieben.

Wenn Reger seinen 100. Psal komponiert, so war das 350jäh­rige Jubiläum nur der äußere Anlaß. Die Töne in ihrer gewaltigen Sprache quellen aus einem frommen Herzen hervor, das seinen Gott loben, seinen Schöpfer danken will. Es ist in der Tat so, daß in dem Chor am Anfang des zweiten Teiles: „Bekennet, daß der Herr Gott ist“ aus mystischen Schauern wie eine übermächtige, furchtbare Erscheinung das Bild des Ewigen selbst hervortritt, wie Professor Stein in seinen „Persönlichen Erinnerungen an Reger“ schreibt. Der Text führte den Meister mit Gewalt über alles Erdenleid und alle Seelennot hinaus zur Freundlichkeit des Herrn, „dessen Gnade ewig währet und seine Wahrheit für und für.“ Seine künstlerischen Ausdrucksmittel konnten seiner Eigenart entsprechend keine anderen sein als ein großer Chor, großes Orchester, dazu die „Königin der Instrumente“. Alles Gewaltige, was ist, muß herbei, dazu das Gewal­tigste, der Mensch mit seiner Stimme, dem schönsten Instrument. Menschenmund muß mit tönender Seele das Wort erklären und verklären.

Anders Liszt, ...

Von Bruckner wissen wir,...

...

Wiederum eine kurze Pause, denn ein anderes Klingen soll anheben. Der Riesenchor hat sich aufgestellt. Orchester und Orgel sind bereit. Regers 100. Psalm beginnt: „Jauchzet dem Herrn alle Welt.“ Fast zu hoch türmen sich die gesanglichen Schwierigkeiten. Eine ungeheure Mühe hat Professor Stein gehabt, das Werk des leider nur allzu früh verstorbenen Meisters würdig zu gestalten. Schade, daß nicht alles so glückte, wie Leiter und Chor es verdient hätten. Hin und wieder eine kleine Intonationstrübung, ein zu lautes Pianopianissimo, so daß sich das folgende Forte nicht scharf genug abheben kann — sonst war das Ganze, vor allem der Schluß von grandioser Wirkung. Ein feierlicher, machtvoller Ausklang des Abends. J. Martens.

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